Mit dem Körper vollständig in virtuelle Welten eintauchen. ‚Dabei sein’ ohne wirklich vor Ort zu sein. Digitale Erlebnisse, realistisch wie im echten Leben. An der Realisierung dieser Science-Fiction-Vision arbeiten derzeit Wissenschaftler der Fachhochschule Salzburg und des Ars Electronica Futurelab. Sie erforschen neue Unterhaltungstechnologien, die den realen und virtuellen Raum miteinander verbinden.
Auf den Replikator, der Captain Picard und seiner Enterprise Crew die leckersten Speisen quasi aus der Luft zauberte, müssen wir wohl noch etwas warten. Doch an die Holodeck-Technologie, die einen komplett in eine virtuelle dreidimensionale Welt eintauchen lässt, kommen die Forscher der FH Salzburg immer näher heran. Im Oktober startet das „Center for Advances in Digital Entertainment Technologies (kurz CADET)“, ein Kooperationsprojekt der Studiengänge MultiMediaTechnology und MultiMediaArt mit dem Linzer Ars Electronica Futurelab. Ziel ist die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien und Formate für die Digitale Unterhaltung der Zukunft.
Laut Robert Praxmarer, dem wissenschaftlichen Leiter des Forschungsprojekts an der Fachhochschule, wird diese besonders durch den menschlichen Körper als Interaktionsmedium bestimmt. Neue 3D-Kamerasysteme, sogenannte TOF-Kameras (englisch: time of flight, TOF), ermöglichen es heute, Bewegungen und Körper in Echtzeit dreidimensional zu erfassen und weiterzuverarbeiten. So werden ganz neue Anwendungen und Unterhaltungsformate möglich. Die 3D-Kamera ‚Kinect’ für die Xbox Spielkonole macht es vor. Mit der Spielehardware, die im November in Österreich auf den Markt kommt, kann man Fitness-Übungen vor dem Fernsehgerät ohne Controller ausführen. Die Kamera erfasst den Körper der Spieler im Raum und überprüft dabei die korrekte Durchführung der Bewegungen.
Wohnzimmer wird zum Cyberspace
Im Salzburger Forschungszentrum gehen die Ideen aber noch viel weiter. Die Wissenschaftler arbeiten an einer Software, die es ermöglichen soll, entfernte oder virtuelle Räume und Personen realistisch zu erleben. Praxmarer: „Wir entwickeln ein System, mit dem Umgebungen in 3D-Koordinaten erfasst und im Computer rekonstruiert werden können. Damit kann ich dann virtuelle Räume schaffen, die z. B. wie mein Wohnzimmer aussehen.“ Die Bewegungen des eigenen Körpers werden auf dem Bildschirm durch einen Avatar (virtuelle Person) 1:1 wiedergegeben. Diese Technologie eröffnet „eine völlig neue Dimension in der digitalen Unterhaltung“. „Computerspieler spielen nicht länger eine Figur, sondern fühlen sich selbst mit ihrem Körper in der Spielwelt anwesend. Was real und was virtuell ist, verschwimmt immer mehr. Das ist durchaus vergleichbar mit dem Holodeck auf dem Raumschiff Enterprise.“
In der ersten Phase des Salzburger Forschungsprojekts wird ein Motion-Tracking-System zur Ganzkörpererfassung entwickelt. „Weitaus kostengünstiger als die Systeme, die man aus Hollywood-Filmproduktionen kennt“, betont Praxmarer. „Wir stützen uns dabei auf bestehende Open Source Technologien, die wir für unsere Zwecke bündeln und weiterentwickeln“.
Mit den Rolling Stones auf der Bühne
Den ersten Anwendungsprototypen möchte der Salzburger Forscher für Konzerte realisieren. „Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, als Rockstar auf der Bühne zu stehen? Mit unserem System können wir jeden Fan zum virtuellen Bandmitglied der Rolling Stones machen.“ Ein Vergnügen, das man durchaus dann auch mit seinen Freunden teilen kann. Denn auch im virtuellen Raum zählt das Gruppenerlebnis.
Praxmarer: „Onlinespiele oder Webplattformen wie Facebook zeigen es ganz deutlich: Die meisten User möchten virtuelle Erlebnisse gemeinsam mit Freunden erleben und sich mit anderen austauschen. Wir arbeiten am Konzept für eine Anwendung mit der man gemeinsam mit anderen ein virtuelles Theaterstück aufführen oder an einem kollaborativen Filmprojekt arbeiten kann. Als Schauspieler treten Avatare auf, die vom Wohnzimmer aus mit Körperbewegungen gesteuert werden.“
Neben Unterhaltungszwecken soll das System aber auch für ‚ernsthafte’ Anwendungen, etwa im Tourismus oder in der Kommunikation einsetzbar sein. „Für diese Technologien gibt es ein sehr breites Einsatzfeld. Wir suchen interessante Ideen und sind offen für Kooperationspartner aus der Wirtschaft“, kündigt Praxmarer an.
Das CADET Kompetenzzentrum wird durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) als Aufbauprojekt gefördert und hat Standorte an der Fachhochschule Salzburg und am Ars Electronica Futurelab in Linz.
Weitere Informationen: www.cadet.at
Kontakt für Rückfragen
FH-Prof. DI Dr. Hilmar Linder
Fachhochschule Salzburg
Cadet – Center for Advances in Digital Entertainment Technologies
E-Mail: hilmar.linder@fh-salzburg.ac.at
T +43-(0)50 2211-1251
F +43-(0)50 2211-1299