Gemütliche Couches, Spielekonsolen, ein riesiger Plasmascreen und die Wände voller Bilder und Scribbles: Auf den ersten Blick weist nichts darauf hin, dass man an einer Hochschule ist. Es sieht eher nach Kreativagentur oder Atelier aus. Wir befinden uns im „Game-Lab“ der Fachhochschule Salzburg – einem von mehreren Arbeitsräumen, die Studierenden zur Umsetzung ihrer Projekte zur Verfügung stehen. Im Moment herrscht Hochbetrieb. Noch ein Monat bis zur Abgabe der Abschlussarbeiten im Master. Einige Studierende testen gerade ein neues Level ihres Abschlussprojekts „Balloon Quest“. „Ein Side-Scrolling Jump’n’ Run, in dem man sich mit Hilfe eines Ballons durch eine bunte 3D-Welt bewegt“, erklärt Regina Reisinger, kreativer Mastermind des Projekts.
Mit einem 14-köpfigen Team arbeitet sie seit zwei Jahren an dem Projekt. „Mit unserem Abschlussprojekt haben wir bereits im ersten Semester des Masterstudiums begonnen“, verrät Reisinger. Zuerst haben wir im kleinen Kreis die Idee entwickelt und das Gamekonzept ausgearbeitet. Spezialisten aus anderen Kreativdepartments, wie etwa unsere zwei Sounddesigner oder die Programmierer sind dann später dazu gestoßen.“
Trailer zu „Balloon Quest“
Im Team zum Master
Die enge Zusammenarbeit von Kreativen mit unterschiedlichen Backgrounds ist eine der Besonderheiten der Studiengänge MultiMediaArt und MultiMediaTechnology an der FH Salzburg.
Im gestalterischen Studiengang MultiMediaArt spezialisieren sich die Studierenden nach einem einjährigen Grundstudium auf die Themen Computeranimation, Mediendesign, Film oder Audio. Der Partnerstudiengang MultiMediaTechnology bietet ein Curriculummit Schwerpunkten in den Bereichen Web und Gamedevelopment sowie grafische Simulation und Augmented Reality.
In gemischten Projektgruppen trainieren die Studierenden das übliche Teamwork der Multimedia-Branche. Gemeinsame Unterrichtsfächer sorgen für kreativen Austausch und gegenseitige Inspiration. So entstehen technisch und gestalterisch ambitionierte Medienprojekte wie Computergames, Installationen, Apps oder Augmented-Reality-Anwendungen.
Marktfähige Produkte als Ziel
Das Masterstudium ist so aufgebaut, dass die Studierenden zwei Jahre lang ein großes Abschlussprojekt entwickeln. Als Ergebnis sollen marktfähige Produkte entstehen, die Basis für eine Firmengründung sind oder den Studierenden als Referenzprojekt zur Bewerbung bei Produktionshäusern und Agenturen dienen. Josef Schinwald, Fachbereichsleiter für Computeranimation: „Im Master entstehen große Projekte, wie eben Computerspiele, Full-CG-Filme oder Spielfilme mit hohem VFX-Anteil. Wir versuchen wie ein Studio in der Industrie zu arbeiten. In Zusammenarbeit mit dem technischen Studiengang MultiMediaTechnology sind wir in der Lage, alle Positionen einer professionellen Spieleproduktion zu besetzten. Ob 3D-Animation, Screen- & Characterdesign, Sounddesign oder Tool und Gameprogrammierung – mit unseren Studierenden können wir jede Rolle optimal abdecken.“
Gestaltung und Technik vereint
Die Programmierung des Codes von „Balloon Quest“ übernehmen Studierende vom Studiengang MultiMediaTechnology, die sich auf Computerspielentwicklung spezialisiert haben. „So können wir auch komplexe physikalische Interaktionen zwischen Spielecharakteren und der Umgebung realistisch integrieren“, erklärt Reisinger. Die Zusammenarbeit von Gestaltern und Technikern wird in Salzburg besonders gefördert und ist Teil des Ausbildungskonzepts. Nicht nur bei Games auch bei Crossmedia-Projekten oder Installationen wird zusammengearbeitet. „Das hat den Vorteil, dass sich jeder in seinem Spezialgebiet vertiefen kann und gleichzeitig das für die Praxis notwendige Know-how durch die Zusammenarbeit mit den anderen Departments erlernt“, sagt Schinwald.
Management & Producing
Ohne eine perfekte Organisation der Arbeitsabläufe und gutes Teambuilding geht bei so langfristigen Projekten gar nichts. Keine leichte Aufgabe für Sophie Müller. Die Bayerin hat sich im Master auf Management & Producing spezialisiert. Durch den Einsatz moderner Managementmethoden, wie zum Beispiel Scrum, gelingt es ihr, den Faden im Projekt nicht zu verlieren. „Im Bachelorstudium habe ich Computeranimation als Hauptfach belegt. Im Master eigne ich mir noch die Management- Skills an, die bei großen Produktionen gefragt sind“, verrät Müller. Müller kümmert sich um das Projektmanagement und die Vermarktung des Projekts, lernt aber auch heterogene Teams zu leiten und soziale Prozesse zu moderieren. „Besonders spannend ist das an der Schnittstelle von Technik und Gestaltung, wo unterschiedliche Denk- und Arbeitsweisen zusammentreffen“, sagt die 28-Jährige.
Regelmäßige Coachings durch Professoren und Workshops mit Spezialisten aus der Wirtschaft helfen die Projekte auf eine solide Basis zu stellen. „Bei der Entwicklung des Spielesettings haben wir beispielsweise mit dem Schriftsteller Hadmar Wieser zusammengearbeitet. Außerdem haben uns auch Karsten Härle, langjähriger Leadanimator bei EA Phenomic und nun Leiter seines eigenen iOS-Game-Entwicklerstudios und Bernhard Falk vom Entwicklerstudio Chimera Entertainment aus München beim Setup des Projekts geholfen.“
Workshops und Gastprofessuren wie diese sind fixer Bestandteil des Studienprogramms. So haben schon Disney Art Director Hans Bacher, Star-Designer Stefan Sagmeister, Hollywood-Kameramann Michael Ballhaus oder der international erfolgreiche Kreativchef Amir Kassaei in Salzburg unterrichtet.
„Balloon Quest“ wird bis zum Sommer fertiggestellt. Dann kümmert sich das Team um die Veröffentlichung und Vermarktung des Games. Josef Schinwald: „Im Master geht es darum, marktfähige Produkte zu entwickeln, die nicht in einer Schublade verschwinden. Deshalb wird die Veröffentlichung auf einer Online-Plattform oder etwa die Veranstaltung einer Premierenfeier und die Einreichung bei Filmfestivals neben der Kreativarbeit auch bei der Benotung berücksichtigt.“
[Auszug aus einem Artikel über die Ausbildung an den Masterstudiengängen MultiMediaTechnology & MultiMediaArt, der im Sonderheft Karriere des Magazins Digital Production erschienen ist.]